Für mehr Informations- und Nachrichtenkompetenz
Orientierung im digitalen Informationsdschungel
Der Griff zum Smartphone und das Scrollen und Klicken durch Newsfeeds, Social-Media-Apps und Videoplattformen zieht sich durch unseren medialen Alltag. Über unterschiedliche Kanäle erreichen uns nonstop Informationen, Werbung, Nachrichten, Meinungen – aus unserem persönlichen Umfeld über unsere privaten Kommunikationskanäle ebenso wie (politische) Meinungen von Personen der Öffentlichkeit. Nicht zuletzt begegnen wir auf diesen Wegen auch Mis- oder Falschinformationen. Innerhalb kürzester Zeit entscheiden wir bei der Nutzung, was uns interessieren könnte, was wir für vertrauenswürdig halten, wo wir weiterlesen und ob wir ein Like setzen oder was wir mit unserem Umfeld teilen. Um sicher durch die vielfältigen Angebote digitaler Welten navigieren und souverän Inhalte einordnen zu können, bedarf es umfangreicher Informations- und Nachrichtenkompetenzen über alle Generationen hinweg. Hilfestellungen bei der Einordnung von Inhalten – beispielsweise um (politische) Werbung oder Falschnachrichten als solche zu identifizieren – sollten Kennzeichnungen und Transparenzangaben geben. „Transparenz ermöglicht Orientierung und erschwert Irreführung“ – so heißt es im ersten Teil des Transparenz-Checks zur politischen Werbung. Wie können also Nutzende durch Medienkompetenz-Vermittlung gestärkt werden, um Medieninhalte souverän kritisch einordnen zu können und welche Alters- und Bildungsschichten gilt es dabei besonders in den Blick zu nehmen?
Das kleine 1×1 der journalistischen Sorgfaltspflichten
Die Landesmedienanstalten sind für die Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflichten bei Online-Medien zuständig. Diese gesetzliche, regulatorische Aufgabe kann zugleich auch als ein Auftrag für die Medienkompetenz-Vermittlung verstanden werden, denn ein grundlegendes Verständnis journalistischen Handwerkszeugs stärkt auch Nutzende beim Navigieren durch digitale Angebote. Das Wissen um Glaubwürdigkeit von Quellen, Kenntlichmachung von Meinungen und Kennzeichnung von Zitaten lässt Nutzende Inhalte im Netz besser einordnen. Hierzu gibt es viele Unterstützungsangebote sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene. Insbesondere bei der Bewertung von Falschinformationen ist das Wissen um die Grundsätze journalistischer Arbeit wichtig und entsprechende Falschinformationslabels von unabhängigen Faktenprüfer:innen und Markierungen von Plattformbetreiber:innen ebenso wie Browser-Plug-ins können dabei wichtige Orientierungshilfen für Nutzende bieten.
Kompetenzen checken – Kennzeichnungen erkennen (lernen)
Der Transparenz-Check zeigt jedoch: Nicht alle Nutzer:innen können gleichermaßen Werbung von Information unterscheiden, Falschnachrichten erkennen oder Meinungen entsprechend einordnen. Dies lässt sich leicht im Selbsttest überprüfen: Als Einstieg in die Bildungsarbeit bietet es sich daher zunächst an, das Medienwissen mit der jeweiligen Zielgruppe zu testen und gemeinsam die Ergebnisse zu reflektieren. Ob nun im Medienquiz des Transparenz-Checks sowie den jeweiligen Selbsttests zu kommerzieller Werbung, politischer Werbung und Falschinformation oder im Newstest – die Selbsttests zeigen individuelle Stärken und Schwächen im Umgang mit unterschiedlichen medialen Inhalten und erlauben den Vergleich mit dem bundesweiten Durchschnitt. Ausgehend von der Reflexion der eigenen Informations- und Nachrichtenkompetenz, gilt es dann, Werbekennzeichnung und Falschinformationslabels stärker in den Fokus zu nehmen. Klare Kennzeichnungen auf Social-Media-Plattformen, beispielsweise von Werbungsbeiträgen oder von Beiträgen mit Falschinformation, können Nutzenden helfen. Entsprechende Kennzeichnungen werden allerdings häufig nicht erkannt. Es gilt daher, nicht nur die regulatorischen Anforderungen an die Kennzeichnungen zu überprüfen, sondern auch die Vermittlung von Wissen über die unterschiedlichen Transparenzangaben stärker in Projekten der Informations- und Nachrichtenkompetenz zu verankern.
Medienwissen vermitteln – digitale Resilienz stärken
Die Transparenz-Checks geben zudem nicht nur Aufschluss über die Einordnung von Transparenzangaben zu politischer und kommerzieller Werbung und Falschnachrichten, sondern erlauben auch einen Einblick in unterschiedliche Informationstypen, das Medienvertrauen und das Medienwissen der deutschsprachigen Wohnbevölkerung ab 16 Jahren mit Internetzugang. Die Transparenz-Checks lassen sich hierbei als eine Aufforderung für die Vermittlung insbesondere von Informations- und Nachrichtenkompetenz lesen, bei der vor allem zwei wichtige Erkenntnisse herausstechen:
- Take-Away 1: Wissen um Transparenzkennzeichen ist ein wichtiges Thema für das lebenslange Lernen. Mittlerweile sind (fast) alle Altersgruppen im Netz angekommen. Selbst unter hochaltrigen Menschen ist mittlerweile über die Hälfte online (vgl. SIM-Studie 2021). Während sich Medienkompetenzvermittlung nach wie vor überwiegend Kindern und Jugendlichen zuwendet, zeigen aktuelle Ergebnisse wie die Studie Quelle: Internet? der Stiftung Neue Verantwortung, dass vor allem auch ältere Mediennutzende informations- und nachrichtenkompetenter gemacht werden sollten. Auch der Transparenz-Check macht deutlich: Ältere Mediennutzende zeichnen sich zwar durch ein durchschnittlich hohes Medienvertrauen und eine etwas geringere Medienskepsis aus. Und auch beim Medienwissen lassen sich kaum Unterschiede zu anderen Generationen aufzeigen. Falschinformationslabels sind aber mit zunehmendem Alter immer weniger bekannt. Neben der Vermittlung von Bedienkompetenzen sollte daher bei Angeboten für Senior:innen vor allem die kritisch-analytische Vermittlung von Informations- und Nachrichtenkompetenz im Fokus stehen.
- Take-Away 2: Bildungsbiographien prägen unsere medialen Zugänge zur Welt. Das Medienwissen ist stark geprägt vom formalen Bildungsabschluss: Je höher gebildet, desto umfangreicher das Medienwissen und je niedriger der formale Bildungsabschluss, desto weniger Kenntnisse über Allgemeines zum Journalismus, Soziale Medien, Suchmaschinen und Werbung sind vorhanden. Die Informationstypen des Transparenz-Checks, die in Anlehnung an die #UsetheNews-Studie des Leibniz-Instituts für Medienforschung entwickelt wurden, geben zudem Auskunft, wo sich Nutzende online informieren. Insbesondere die Gruppe der Gering Informationsorientierten, die weder journalistische noch nicht journalistische Quellen umfassend nutzt, zeichnet sich durch eine hohe Medienskepsis sowie ein eher mäßiges Medienwissen aus und verfügt überdurchschnittlich häufig über eine geringe formale Bildung. Die Stärkung der Informations- und Nachrichtenkompetenz ist damit eine ganz grundlegende Bildungsaufgabe, bei der vermehrt niedrigschwellige Angebote entwickelt werden müssen, die sich an formal niedrig gebildete Mediennutzende richten. Gamebasierte Ansätze wie Wissenstests haben sich hier beispielsweise als besonders hilfreich erwiesen.
Insgesamt zeigen Studien wie der Transparenz-Check, wie wichtig die Stärkung von Informations- und Nachrichtenkompetenz für alle Generationen und Bildungsschichten ist, da diese eine elementare Grundvoraussetzung für eine kritische Meinungsbildung in der digitalen Gesellschaft sind. Souveränes Navigieren im Netz stärkt die digitale Resilienz in Zeiten gesellschaftlicher, politischer, sozialer und ökologischer Unsicherheiten und medialer Überforderungen und trägt damit zugleich zur Sicherung der Demokratie bei.
Dr. Kathrin Rothemund ist Medienwissenschaftlerin mit Stationen an Universitäten in Jena, Lüneburg, Bayreuth und Bochum und arbeitet heute als Referentin für Informations- und Nachrichtenkompetenz und Projektleiterin mabb_ink an der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Sie verantwortet hierbei Projekte rund um die Vermittlung von Informations- und Nachrichtenkompetenz und vernetzt Akteur:innen in Berlin und Brandenburg.