Einblicke in die Regulierungspraxis
Wieso forschen die Medienanstalten überhaupt zum Thema Transparenz?
Transparenz ist ein essenzielles Werkzeug, um die freie Meinungsbildung der Mediennutzer:innen zu schützen. Nur wenn klar ist, worum es sich bei einem Medienangebot handelt, können sich die Nutzer:innen in der analogen und digitalen Angebotsvielfalt gut zurechtfinden. Deswegen müssen z. B. kommerzielle und politische Werbung auch online deutlich gekennzeichnet werden. Es muss klar sein, ob es sich um eine Nachricht oder eine Meinung handelt und auf welchen Quellen ein journalistischer Inhalt basiert. Nur so werden die Nutzer:innen vor Irreführung geschützt und können Medieninhalte bewusst zur eigenen Information, Unterhaltung oder Kommunikation auswählen.
Transparenz ermöglicht eine informierte Mediennutzung, die wiederum Voraussetzung ist, sich eine eigene Meinung bilden zu können. Deswegen ist das Thema Transparenz auch ein wichtiges Thema in den Forschungsaktivitäten der Medienanstalten. Durch die Ergebnisse der Befragungsstudien verstehen wir die Nutzer:innen noch besser und können diese Erkenntnisse in unsere Aufsichtstätigkeit einfließen lassen.
Auf den ersten Blick sieht es bei den Ergebnissen des Transparenz-Checks so aus, als ob kommerzielle Werbung in Form von Social-Media-Posts auch ohne korrekte Werbekennzeichnung von den Befragten erkannt wurde. Heißt das, dass die Kennzeichnung kommerzieller Inhalte letztlich gar nicht so wichtig ist?
Das wäre natürlich einfach, aber so ist es nicht. Wenn es eine klare Kennzeichnung gibt, ist sie für die Hälfte der Befragten der wichtigste Hinweis, um kommerzielle Werbung korrekt einzuordnen. Außerdem hat der Transparenz-Check ergeben, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Medienwissen und dem Erkennen von Werbung gibt.
Was ist mit Medienwissen denn konkret gemeint?
Das Medienwissen haben wir mit einem Quiz abgefragt. Wir sehen an den Ergebnissen: Wer sich mit Medien auskennt, erkennt auch häufiger Werbung. Dieses Wissen musste erst eingeübt, also gelernt, werden und hierfür ist die Kennzeichnung das wichtigste Instrument, um Interessen der Werbenden aufzudecken. Außerdem zeigen die Ergebnisse, wie relevant eine korrekte Werbekennzeichnung bei redaktionell anmutenden Anzeigen ist, um Werbung korrekt einordnen zu können. Wenn diese nicht vorhanden ist, versuchen sich die Nutzer:innen über verschiedene Wege Indizien zurechtzulegen, um die Absicht hinter einem Post zu erkennen. Wenn eine Kennzeichnung vorhanden ist, dann brauchen sie diesen Umweg nicht.
Das Erkennen von Werbung ist also vom Medienwissen abhängig. Ist eine gezielte Medienkompetenzförderung Ihrer Meinung nach dann wichtiger als eine gute Kennzeichnung?
Das ist eine Frage, die die Medienanstalten seit jeher beschäftigt. Die Medienaufsicht und
-regulierung sowie die Medienkompetenzförderung sind zwei Seiten einer Medaille. Einerseits bauen sie aufeinander auf und andererseits sind sie ohne die Verzahnung miteinander nicht wirkmächtig. Die Medienanstalten sind u. a. für die Aufsicht der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften vornehmlich gemäß Medienstaatsvertrag (MStV) zuständig. Der MStV beinhaltet auch Vorgaben für eine Kennzeichnung von Werbung. Hier wird der gesetzgeberische Wille deutlich, dass Nutzer:innen redaktionelle Inhalte von Werbung trennen können, um sich auf dieser Grundlage eine Meinung bilden zu können. Transparent wird den Nutzer:innen aber erst die Absicht von verschiedenen Inhalten, wenn sie wissen, dass z. B. Werbung als solche gekennzeichnet werden muss. Hier setzt die Medienkompetenzförderung an. Werbung ist nur ein Beispiel von vielen, wie die Verzahnung von Medienregulierung und Medienkompetenz zum eigentlichen Zweck des Gesetzes – einer von Transparenz geprägten Mediennutzung – führt.
Können Sie uns einen Einblick in Ihre tägliche Arbeit geben? Was tun die Medienanstalten in Fällen, bei denen Anbieter:innen in Sozialen Medien Werbung nicht oder nicht korrekt kennzeichnen?
Bei Anbieter:innen, die sich zum ersten Mal nicht korrekt verhalten, also Werbung gar nicht oder nicht korrekt kennzeichnen, versenden wir zunächst ein Hinweisschreiben. In diesem Schreiben wird auf den konkreten Fall aufmerksam gemacht. Wir geben aber auch direkt eine Hilfestellung und erklären, wie die Werbebeträge korrekt zu kennzeichnen sind. Innerhalb einer bestimmten Frist soll das Angebot dann entsprechend der gesetzlichen Vorgaben angepasst werden. Wenn er/sie dieser Aufforderung nachkommt und sich auch weiterhin regelkonform verhält, ist aus unserer Sicht das Ziel erreicht: Die Nutzer:innen sind vor Irreführung geschützt und kommerzielle Inhalte transparent gemacht. Ist der/die Anbieter:in nicht einsichtig oder verstößt zum wiederholten Male gegen Werberegeln, hören wir den/die Anbieter:in an und er/sie hat Zeit, zu den vorgeworfenen Verstößen Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme wird dann wiederum von uns geprüft und in unsere Bewertung, ob ein Verstoß vorliegt oder nicht, einbezogen. Wenn sich der Verdacht erhärtet, entscheidet die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), der alle 14 Direktor:innen der Medienanstalten angehören, ob ein Verstoß vorliegt. Wenn sie den Verstoß bejahen, wird eine Beanstandung ausgesprochen. In einzelnen Fällen kann auch eine Geldbuße verhängt werden.
Eine Nachfrage dazu: Welche Hinweise können Sie Influencer:innen für eine korrekte Werbekennzeichung geben?
Enthalten Beiträge in Sozialen Medien oder Blogs, also statische Bild-/Text-Beiträge, einzelne Kurzvideos wie Instagram-Stories oder TikTok-Clips, Werbung, so muss dies klar gekennzeichnet werden. Im Leitfaden der Medienanstalten wird genau erklärt, ob, wie und wo eine Kennzeichnung zu erfolgen hat. Für die Nutzer:innen muss auf den ersten Blick ersichtlich sein, dass es sich um Werbung handelt. Deshalb muss die Werbekennzeichnung bereits zu Beginn eines Beitrags erfolgen. Die Kennzeichnung kann durch „Werbung“, „Anzeige“ oder „bezahlte Werbepartnerschaft“ erfolgen. Nicht ausreichend sind unklare Wortschöpfungen, beispielsweise „Advertorial“, „Brand Story“ oder Abkürzungen.
Welchem Thema widmet sich der nächste Transparenz-Check der Medienanstalten? Können Sie das schon verraten?
Im Frühjahr 2023 präsentieren wir die Ergebnisse rund um das Themenfeld Desinformation. Hier geht es neben der Einordnung von Falschinformation beispielsweise auch um die Bekanntheit von entsprechenden Labels. Zudem führen wir aktuell bereits die Nachfolgestudie durch, bei der wir uns auf Audio-Inhalte konzentrieren. Denn mit Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags haben sich auch für Podcasts (als nunmehr hörfunkähnliche Telemedien) die Anforderungen für eine hinreichende Werbekennzeichnung geändert.
Susanne von Holten ist Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin und leitet bei der Medienanstalt Sachsen-Anhalt den Bereich Bürgermedien, Jugendmedienschutz und Medienforschung. In dieser Aufgabe ist sie zuständig für die Belange der Offenen Kanäle und Nichtkommerziellen Lokalradios in Sachsen-Anhalt und eingebunden in die landes- und bundesweite Aufsicht über private Rundfunkprogramme sowie die Inhalte von Telemedien. Zudem engagiert sie sich im präventiven und restriktiven Jugendmedienschutz sowie in der Medienforschung und verantwortet als Projektleiterin die „Internet-ABC-Schulen Sachsen-Anhalt“.
Ina Goedert leitet die Abteilung Medienaufsicht und Medienforschung der Landesmedienanstalt Saarland sowie das Projekt „Courage im Netz – Gemeinsam gegen Hass und Hetze“. Als Abteilungsleiterin beschäftigt sie sich mit den Themen Jugendmedienschutz, Werbung, Programmgrundsätze, Sorgfalts- und Transparenzpflichten im Bereich des Rundfunks und der Telemedien. Darüber hinaus betreut Ina Goedert das gemeinsame Portal der Landesmedienanstalten Programmbeschwerde.de. Ein Portal, das orientiert, informiert und dafür sorgt, dass Beschwerden zu Inhalten in TV, Radio und Telemedien geprüft werden und an die richtige Stelle gelangen.