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    Die Nachrichtensendung als Instagram-Story

    Informationsportfolios der Generation Z

    Gerade in Krisenzeiten spielen Informationsangebote, denen Vertrauen entgegengebracht wird, eine große Rolle. Und deswegen greifen auch junge Zielgruppen, die sich „always on“ in der digitalen Welt bewegen, auf klassische Medienangebote zurück. Sie tun dies aber nicht mehr über den klassischen Verbreitungskanal, sondern über Ausspielwege, die in ihr Nutzungsverhalten und ihre täglichen Medienroutinen passen. Dies bestätigt auch die Studie „Aktuelle Informationsportfolios der 14- bis 29-Jährigen“ der medienanstalten. Es wird dabei deutlich, welche Herausforderungen die geänderte Nutzung von Nachrichten und Informationen mit sich bringt – und zwar für die Nutzer:innen wie für die Produzierenden von Nachrichten und Informationen.

    Das Interesse für politische Themen ist da

    Jugendliche und junge Erwachsene interessieren sich nicht für Politik und Gesellschaft – diese These gilt spätestens seit den weltweiten Protesten der Fridays-for-Future-Bewegung überholt. Ein deutliches Interesse an politischen und gesellschaftlich relevanten Themen belegen auch die Studienergebnisse. Erwartungsgemäß rangiert die Covid-19-Pandemie auf Platz 1 der subjektiv wichtigsten Themen, das Interesse an Informationen aus den Bereichen Umwelt und Klima sowie Politik und Gesellschaft stehen dem aber nicht viel nach

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    Vielfältiges Inforepertoire: rund 5 Touch Points täglich

    Um sich über diese und weitere Themen zu informieren, greifen 14- bis 29-Jährigen täglich auf etwas mehr als fünf verschiedene Quellen zu, auf einige davon sogar mehrmals am Tag. Dabei reicht das Spektrum der genutzten Informationsquellen von den Angeboten der klassischen Medien TV, Radio und Print über Suchmaschinen, Soziale Netzwerke, Videosharing-Websites und Messenger-Dienste, Online-Nachrichtenportale, News-Apps und Podcasts bis zu Gesprächen im Freundeskreis, unter Kolleg:innen oder in der Familie. Festzuhalten bleibt: Jugendliche und junge Erwachsene verfügen über ein umfassendes und vielfältiges Informationsrepertoire, in dem klassische Medien zwar immer noch eine bedeutende Rolle einnehmen – aber längst nicht mehr die einzige. Wenig überraschend sind auch Soziale Netzwerke, Video-Sharing-Plattformen und Suchmaschinen (sog. Medienintermediäre) mittlerweile als Touch Point zu aktuellen News und Informationen allgemein sehr wichtig.
    Um mehr über die genutzten Informationsangebote und den Zugang zu ihnen zu erfahren, wurden im Rahmen der Studie über 2.800 Medientagebücher ausgewertet, in denen Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 29 Jahren einen Tag lang ihre Informationsnutzung präzise dokumentiert haben.

    Klassische Angebote sind nach wie vor wichtig – neben anderen Informationsquellen

    Die Auswertung der Tagebücher zeigt: Journalistische Inhalte sind weiterhin ein essenzieller Bestandteil der informierenden Portfolios von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Insbesondere etablierte Nachrichtenmarken von Fernsehsendern, aber auch die Informationsangebote von Radioprogrammen, Tageszeitungen und Zeitschriften wurden von der Zielgruppe als Informationsquelle häufig angegeben (Abb. 2). Die am häufigsten registrierten Info-Angebote gehören aber zur Kategorie „Originäre Online-Angebote“ – also Inhalte, die speziell für die Verbreitung über Social Media, Webseiten und Apps hergestellt wurden. 70 Prozent aller Befragten erfassten solche Angebote in ihren Medientagebüchern.

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    Anderer Zugang der Generation Z zu journalistischen Inhalten

    Die Informationsnutzung der Jüngeren unterscheidet sich von der der älteren Generationen vor allem durch den Zugang zu ihnen: Denn 14- bis 29-Jährige nutzen bevorzugt auch die Angebote klassischer Medien digital (Abb. 3). Die für knapp 60 Prozent der Befragten sehr relevanten Fernsehangebote werden meist nicht mehr linear im Fernsehen, sondern über die Apps, Webseiten und Social-Media-Kanäle der Sender angesteuert. Stark digitalisiert ist auch die Nutzung von Printinhalten. So findet der Kontakt zu Inhalten von Tageszeitungen überwiegend und von Zeitschriften fast ausschließlich digital statt. Nur ein schwindend geringer Anteil liest eine gedruckte Ausgabe einer Zeitschrift, dafür nutzen umso mehr deren Webseiten. Gerade im Bereich der Zeitschriften scheint es zudem eine gewisse Markenbindung zu geben: Printtitel wie „Spiegel“ oder „Focus“, aber auch „Die Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“ oder „FAZ“ werden am häufigsten genannt. Eine Ausnahme in Bezug auf den Zugang bilden Radioprogramme. Sie werden mehrheitlich noch linear genutzt.

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    Ein Großteil der Kontakte zu Informationen erfolgt zufällig

    Wenig überraschend, bestätigt die Studie die Relevanz von Sozialen Medien im Alltag der 14- bis 29-Jährigen und belegt darüber hinaus deren Relevanz als Touch Point für Informationen. Informationsnutzung findet somit in einem ganz speziellen Umfeld statt – in einem Kommunikationskanal, in dem ein nicht abreißender Strom aus harten News und softer Unterhaltung, aus Nachrichten aus aller Welt und dem engsten Freundeskreis, aus Bildern und Videos, textlichen Schlagzeilen und Memes, aus Emotionen und Fakten, Werbung und intimen Messages im meist personalisierten Feed in einem bunten Multimedia-Kosmos zusammenlaufen.
    Wenn es um Nachrichtennutzung und soziale Netzwerke geht, ist häufig von passiver bzw. inzidenteller Nutzung die Rede. Das bedeutet, dass Nutzer:innen dort beiläufig auf nachrichtliche Inhalte stoßen und nicht aktiv danach suchen. Das zeigt sich auch bei den Befunden dieser Studie: Über 60 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ganz zufällig auf Informationen gestoßen sind, also ohne gezielt danach gesucht zu haben. Tatsächlich passiert der Kontakt aber nicht wirklich zufällig, sondern algorithmenbasiert. Denn algorithmengesteuerte Empfehlungssysteme bestimmen in hohem Maße, was wie prominent präsentiert wird.

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    Produzierende und journalistische Marken treten in den Hintergrund

    Mit Blick auf die am häufigsten genannten Einzelangebote samt Verbreitungsweg fällt auf, dass klassische Nachrichtenangebote wie die „Tagesschau“, aber auch Inhalte von n-tv oder Spiegel Online in der Gruppe der 14- bis 29-Jähren häufig genutzt werden – am liebsten über Instagram, die Webseite oder die App (Abb. 4). Die Liste der am häufigsten genutzten Angebote zeigt zudem, dass Nachrichtenaggregatoren eine wichtige Rolle spielen. Dazu zählen Dienste wie Google News, Upday oder web.de, die Nachrichten verschiedener Produzent:innen auf einer gemeinsamen Oberfläche sammeln und präsentieren. Solche Formen der Vermittlung von Nachrichten verändern den Zugang und die Wahrnehmung redaktioneller Angebote in hohem Maße: Einzelne Inhalte werden meist personalisiert und an die eigenen Interessen angepasst präsentiert. Eine redaktionelle Vorauswahl findet oft nicht statt. Zudem erscheinen die Beiträge von den ursprünglichen Produzent:innen entkoppelt im Design des Aggregators, sodass journalistische Marken in den Hintergrund geraten.

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    Die beiläufige und „aggregierte“ Nutzung von Informationen geht mit dem Studienergebnis einher, dass sich Jugendliche oft nicht an die Quellen der Informationen erinnern können: Bei 12 Prozent aller erfassten Informationsvorgänge wurde als Quelle der Information ein Medienintermediär, also z. B. Google oder Facebook, genannt und nicht die eigentlichen Urheber:innen der Inhalte, beispielsweise Medienproduzent:innen, Privatpersonen oder Influencer. Insbesondere bei Informationsvorgängen über Soziale Medien wird die Quelle nicht mehr erinnert: So wurden bei 58 Prozent aller dokumentierten Facebook-Informationseinträge keine konkrete Quelle genannt. Bei den Instagram-Einträgen waren es 43 Prozent und bei YouTube 51 Prozent der dokumentierten Informationsvorgänge. Die präferierten Verbreitungswege junger Nutzender führen also dazu, dass originäre Onlineangebote als Gattung insgesamt am wichtigsten für die Zielgruppe sind und dass oft die Plattform, aber nicht die Quelle der Information wahrgenommen wird.

    Der Kampf um Aufmerksamkeit verschärft sich weiter

    Die nahezu unbegrenzte Zahl an Kanälen, über die sich jederzeit und über das Smartphone überall Nachrichten konsumieren lassen, stellt einzelne Anbieter von Informationen vor dieselbe Herausforderung: Der erhöhte Wettbewerb um die Aufmerksamkeit erschwert es, auf den Plattformen wahrgenommen zu werden und sich als Marke in den Köpfen der Nutzer:innen zu verankern. Hinzu kommt, dass sich die Rezeptionssituation über Soziale Medien eigentlich wenig für eine umfassende Information und Einordnung eignet. Journalistische Angebote stehen damit vor der Aufgabe, ihren Mehrwert als Lieferant zuverlässiger und unabhängiger Informationen im Rahmen beiläufiger Kontakte und ohne Einfluss auf das Umfeld deutlich zu machen. Wenn sie zunehmend hinter Google, Facebook & Co. in den Hintergrund treten und nicht mehr als Urheber wahrgenommen werden, wird dies schwerwiegende Folgen für den Qualitätsjournalismus haben und die ohnehin schwierige Situation seiner Refinanzierung verschärfen.
    Aber auch mit Blick auf die Nutzer:innen kann die zunehmende „Plattformisierung“ des Journalismus Folgen haben. Ganz unabhängig von der Frage, ob und in welchem Grad der Nachrichtenkonsum über Soziale Medien tatsächlich zur Informiertheit der Nutzer:innen beiträgt, müssen diese in der Lage sein, einzuordnen, woher eine Nachricht stammt und ob die Quelle vertrauenswürdig ist. Zur Informations- und Nachrichtenkompetenz gehört hier zudem das Wissen, dass eine kuratierte und/oder algorithmusgesteuerte Sichtbarkeit der Informationsangebote Einfluss darauf nimmt, welche Inhalte präsentiert werden.

    04.10.2022Dr. Gergana Baeva und Eva Spittka

    Dr. Gergana Baeva betreute bis April 2022 als Referentin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) verschiedene Forschungsprojekte, insbesondere zu Fragen der digitalen Medienvielfalt, der Verbreitung von Desinformation online und der Informations- und Nachrichtenkompetenzen in der Bevölkerung. Aktuell verantwortet sie den Bereich KI-Regulierung am Zentrum für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz beim unabhängigen Think Tank iRights.Lab.

    Eva Spittka leitet in der Gemeinsamen Geschäftsstelle der Medienanstalten das Team für den Fachausschuss Regulierung. Sie betreut kommunikationswissenschaftliche Forschungsprojekte, beispielsweise die Entwicklung des Transparenz-Checks, ebenso wie die Themen Desinformation, Public Value und politische Werbung. Sie ist in der Geschäftsstelle verantwortlich für das Forschungsportal Fakten + Impulse.

    Über die Studie

    An der Befragung per Online-Access-Panel nahmen 3.100 deutschsprachige Personen zwischen 14 und 29 Jahren zwischen dem 1. Juli und dem 30. September 2020 teil. Die genaue Aufzeichnung aller Infor­mationsvorgänge in einem Medien­tagebuch im Laufe eines Tages war zentraler Bestandteil der Studie.